Die Interaktion schwacher elektromagnetischer Felder mit Zellen: Ein Mysterium der Biophysik
Die Bioelektrizität, der Biomagnetismus und der Bioelektromagnetismus waren seit ihrer Entdeckung von einem Hauch von Mysterium und Scharlatanerie umgeben.
Dieser Artikel, basierend auf Roland Glasers Arbeit "Current concepts of the interaction of weak electromagnetic fields with cells", beleuchtet die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinter der Interaktion von schwachen elektromagnetischen Feldern mit Zellen und räumt mit einigen Mythen auf.
Ein historischer Überblick:
Schon früh befasste sich die Wissenschaft mit den Auswirkungen von Magnetismus und Elektrizität auf den menschlichen Körper. Während Franz Anton Mesmers "Magnetkur" im 18. Jahrhundert noch stark von Mystizismus geprägt war, legte Luigi Galvanis Forschung zur "tierischen Elektrizität" den Grundstein für die moderne Elektrophysiologie. Trotz enormer Fortschritte in Physik, Elektrochemie und Elektrophysiologie, blieb das Feld der Bioelektromagnetismus lange Zeit anfällig für Scharlatanerie.
Wissenschaftlich fundierte Phänomene:
Heute sind einige Phänomene im Bereich der Bioelektromagnetismus wissenschaftlich anerkannt:
- Elektrische Erregbarkeit von Zellen (Elektrophysiologie)
- Elektrorezeption bei Fischen und anderen Tieren
- Magnetorezeption bei Bakterien und Vögeln
- Passive Bewegung von Zellen in künstlichen Feldern (Elektrophorese, Dielektrophorese, Elektrorotation)
- Elektrischer Durchbruch von Membranen durch kurze elektrische Impulse (Zellperforation, Zellfusion)
Schwache elektromagnetische Felder im Fokus:
Der Fokus liegt heute auf den Effekten von schwachen elektromagnetischen Feldern – Feldern mit Energien nahe dem thermischen Rauschen (kT). Diese Felder werden häufig in der Therapie eingesetzt, während gleichzeitig die Diskussion um Elektrosmog kontrovers geführt wird.
Wie wirken elektromagnetische Felder auf Zellen?
Die zentrale Frage ist: Wie können elektromagnetische Felder zelluläre Prozesse beeinflussen? Zahlreiche Experimente belegen, dass solche Effekte existieren, oft bei spezifischen Frequenzen und Intensitäten auftreten und häufig mit dem Ca²⁺-Transport verbunden sind. Pulsförmige oder modulierte elektromagnetische Felder (PEMF) scheinen besonders wirksam zu sein, wenn sie mit niedrigen Frequenzen (16-60 Hz) moduliert werden.
Die Rolle der Zellmembran:
Die Zellmembran spielt eine entscheidende Rolle bei der Interaktion mit elektromagnetischen Feldern. Sie wirkt als Diffusionsbarriere für Ionen und als Matrix für funktionelle Proteine. Elektrisch betrachtet verhält sie sich wie ein Kondensator. Externe Felder überlagern sich dem starken, in-vivo existierenden Membranfeld. Es ist wichtig zu beachten, dass in elektrochemischen Systemen elektrische Felder existieren können, ohne dass ein Ionenstrom fließt.
Mögliche biophysikalische Mechanismen:
Es gibt verschiedene Hypothesen zu den primären Wirkmechanismen von elektromagnetischen Feldern auf zelluläre Strukturen:
- Einfluss auf Phasenübergänge von Membranlipiddomänen
- Direkter Einfluss auf die Funktion von Membranproteinen (Transportprozesse, enzymatische Aktivitäten)
- Einfluss auf die laterale Organisation der Membran und Induktion von lateralen Ionenströmen
- Einfluss auf Oberflächenladungen und elektrische Doppelschichten
Diese Hypothesen basieren auf Phänomenen wie Kooperativität, Resonanzeffekten und dem Auslösen von Übergängen zwischen multistationären Zuständen.
Optimierung der Frequenzbänder:
Die für medizinische Behandlungen verwendeten Frequenzen sind oft technisch bedingt und nicht unbedingt optimal für die biophysikalische Interaktion. Modelle sagen Resonanzfrequenzen für Transportproteine zwischen 10³ und 10⁶ Hz voraus. Für therapeutische Anwendungen wird daher eine Verschiebung in die ULF-, VLF-, LF- und MF-Frequenzbänder empfohlen.
Sekundäre biologische Effekte:
Biologische Effekte von elektromagnetischen Feldern entstehen durch Verstärkungsprozesse. Das Feld kann beispielsweise ein Transportprotein beeinflussen, was zu einer Veränderung des Ionenflusses und in der Folge zu Änderungen der zellulären Ionenkonzentrationen führt. Calcium als sekundärer Botenstoff kann dann biochemische Kaskaden auslösen.
Schlussfolgerung:
Es gibt überzeugende Hinweise auf die Wirkung elektromagnetischer Felder auf biologische Systeme, selbst bei Energien im Bereich des thermischen Rauschens. Die genauen biophysikalischen Mechanismen sind jedoch noch nicht vollständig geklärt. Weitere Forschung ist notwendig, um die optimalen Frequenzen und Anwendungsmethoden für therapeutische Zwecke zu ermitteln.